Europa

Grenzen überwinden

 

Die Globalisierung öffnet seit vielen Jahren den Handlungsraum von BetriebsrätInnen. Wenn Unternehmensentscheidungen transnational wirken, greift nationale Interessenvertretung oft zu kurz. Hier braucht es die Kompetenzen Europäischer Betriebsräte (EBR), die die Arbeitnehmerinteressen transnational vertreten. Die Kenntnisse über unterschiedliche Mitbestimmungs- und Betriebsratstrukturen in den europäischen Ländern sind hier ebenso gefragt, wie das Wissen um die eigenen Rechte und Möglichkeiten, diese durchzusetzen. In den vergangenen Jahren sind die Rechtsgrundlagen der grenzüberschreitenden Interessenvertretung kontinuierlich verbessert worden. Eurobetriebsräte haben heute einen gesetzlich verbrieften Anspruch auf Schulungen, die sie für ihre Aufgaben fit macht. Die BWS bietet ihnen ein breites Portfolio: 

  • Bildungsangebote für Europäische Betriebsräte, SE-Betriebsräte und deren Mitglieder
  • Unterstützung regionaler EBR-Netzwerke und Arbeitsgruppen
  • Austausch mit Gewerkschaften in anderen EU-Ländern

Wissenswertes über europäische Betriebsräte

 

Eurobetriebsräte (EBR) sind transnationale Arbeitnehmervertretungen in europaweit positionierten Unternehmen. Es gibt sie – zusätzlich zu den unverändert weiterbestehenden nationalen Arbeitnehmervertretungen – seit ca. 20 Jahren mit derzeit etwa 1.200 Gremien und ungefähr 20.000 Mitgliedern. EBR sind zuständig für die Information der Arbeitnehmer und die Durchführung von Anhörungsprozessen bei grenzüberschreitend wirksamen Unternehmensentscheidungen.

Damit die EBR und ihre Mitglieder – das Gleiche gilt auch für SE-Betriebsräte – in ihren Gremien die genannten Prozesse effektiv gestalten können, müssen sie bestimmte Kompetenzen besitzen. Dazu gehört u. a. der Aufbau einer effizienten Kommunikation innerhalb der EBRs sowie zwischen diesen und dem Management. Eine herausragende Schwierigkeit besteht darin, dass die Arbeitnehmervertreter dezentral gewählt werden. Sie verfügen über unterschiedliche Interessen, Erfahrungen und Kompetenzen. Das bewirkt häufig unklare Ziele und mangelnde Durchsetzungsfähigkeit. Mit unserer Hilfe und durch unsere von Expert*innen geleiteten Seminare unterstützen wir EBR Gremien bei der Etablierung eines starken Gremiums.

Interview mit Sinischa Horvat

Anders als Europäische Betriebsräte beruht der SE-Betriebsrat (SEBR) rechtlich auf dem SE-Beteiligungsgesetz (SEBG). Es regelt, wie Arbeitnehmer*innen in Europäischen Aktiengesellschaften (SE) zu beteiligen sind. In ihren Rechten und Aufgaben unterscheiden sich SEBR und EBR jedoch nur in einigen Punkten. Einblicke in die praktische Ausgestaltung gibt Sinischa Horvat, Vorsitzender des Betriebsrats der BASF SE in Ludwigshafen, des Konzernbetriebsrats und des BASF Europa-Betriebsrats sowie stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der BASF SE, in unserem exklusiven Interview.

Sinischa, wie gelingt dir persönlich der Spagat zwischen deinen komplexen Aufgaben und Tätigkeitsbereichen? Wie meisterst du diese Vielfalt?

Einerseits ist es sicher ein Spagat, andererseits greifen in einem Konzern wie BASF viele Räder ineinander. So gesehen ergänzen sich die Themen auf den strukturellen Ebenen Ludwigshafen, Deutschland und Europa. Ein aktuelles Beispiel sind hierfür die Struktur- und Einsparmaßnahmen, die zwar vor allem den Standort Ludwigshafen betreffen, aber zugleich auch Deutschland und Europa. Gerade für den Dialog in Europa ist die Erörterung wechselseitiger Auswirkungen von großer Bedeutung.

Grundsätzlich gefragt: Was ist der Unterschied zwischen einem „normalen“ Europa-Betriebsrat und einem SE-Betriebsrat? Und kannst du uns einen großen Unterschied bei der täglichen Arbeit nennen?

Hier greifen mit zwei EU-Richtlinien unterschiedliche gesetzliche Grundlagen. Bei einer SE hat man nicht nur den SE-Betriebsrat, sondern verhandelt auch über den Aufsichtsrat, also die Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat. Bei einem „normalen“ Europa-Betriebsrat kommuniziert man dagegen nur über den Betriebs- und nicht über einen Aufsichtsrat. Aber praktisch lässt sich in der täglichen Arbeit der Gremien kein großer Unterschied ausmachen.

Nicht jede SE hat auch einen Europa-Betriebsrat. Warum gibt es manchmal Betriebsräte und manchmal nicht?

Natürlich kann ich diese Frage nur hinsichtlich der BASF beantworten: Seit 1995 gab es bei der BASF auf Grundlage einer freiwilligen Vereinbarung ein europäisches Gremium der Arbeitnehmervertretung, den BASF Euro Dialog. Er diente seither der Information und Konsultation in länderübergreifenden Angelegenheiten. Im Zuge der Umwandlung der BASF AG in eine europäische Gesellschaft, die BASF SE, wurde 2007 eine Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer*innen zwischen dem Besonderen Verhandlungsgremium auf Arbeitnehmerseite und dem Unternehmen geschlossen. Der neue BASF Europa-Betriebsrat ist seit der Konstituierung 2008 das Arbeitnehmervertretungsgremium der BASF SE mit Europa-Identität.

Ein SEBR oder KBR hat andere Einfluss- und Mitbestimmungsrechte als ein Europa-Betriebsrat. Wie wirkt sich die Beschränkung auf grenzüberschreitende Belange in der SE-Arbeit aus?

Der BASF Europa-Betriebsrat hat zwar nicht die Möglichkeiten, die der Betriebsrat der BASF SE mit Blick auf die Mitbestimmung hat, dafür wird der Dialog zwischen den europäischen Gesellschaften sehr geschätzt. Neben der Erörterung aktueller Themen nutzt der EBR die Möglichkeit, Stellungnahmen zu Schwerpunktthemen zu formulieren. Damit hat der EBR innerhalb der Konzernstruktur der BASF eine gewichtige Stimme, die im Unternehmen gehört wird.

Ein SE-Betriebsrat ist immer nur so stark wie die beteiligten nationalen Interessenvertretungen. Wie gelingt bei BASF das Zusammenspiel?

Sowohl aufseiten des Betriebsrats als auch auf Unternehmensseite kümmern sich Profis um die Vorbereitung der Themen und Sitzungen. Die meisten haben einen juristischen Hintergrund, zum Beispiel die Geschäftsführerin des EBR, die Stabsmitarbeiterin im Betriebsrat der BASF SE ist. Treffen wir uns zu einer Sitzung, war die professionelle Vorarbeit bereits das größte Arbeitspaket. Dann folgt die Nachbereitung mit der Erstellung eines Protokolls und oftmals einer Stellungnahme. So arbeiten der Vorsitz des EBR, sein geschäftsführender Ausschuss, die Geschäftsführerin sowie die zuständigen Unternehmensvertreter*innen eng zusammen – selbstverständlich unter Einbeziehung der jeweiligen nationalen Arbeitnehmervertretungen.

Welche Tipps und Hinweise würdest du anderen Europa- Betriebsräten mit auf den Weg geben wollen – besonders vor dem Hintergrund von Transformation und Digitalisierung?

Ein gut funktionierender EBR ist sowohl für die Arbeitnehmer*innen in den verschiedenen Ländern als auch für das Unternehmen ein Gewinn. Voraussetzung ist, dass die Prozesse etabliert sind und gelebt werden. Dafür bedarf es zum Beispiel Personen, die sich um das Gremium kümmern, organisatorische Fragen klären und Schwerpunkte für die Erörterungen vorbereiten. Geschäftsführende Organe sind hierfür positive Beispiele. Transformation und Digitalisierung sind längerfristige Projekte, die von einem EBR über viele Jahre bearbeitet werden. Gerade vor diesem Hintergrund ist es wichtig, die verschiedenen Ausprägungen und Besonderheiten der beteiligten Landesgesellschaften einzubeziehen und gegenseitige Betroffenheiten zu thematisieren.